Die BGH-Anwaltschaft: Effektiver Rechtsschutz in der Revisionsinstanz für alle
Statistik und Materialien
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Nachstehend finden Sie jüngere rechtspolitische Materialien sowie einige statistische Erläuterungen zur Funktion der BGH-Anwaltschaft.
Kommission des Bundesministeriums der Justiz 1995
Im Jahr 1995 hatte die Bundesministerin der Justiz eine hochrangige Kommission von Praktikern zur Überprüfung der Frage eingesetzt, ob eine besondere Anwaltschaft beim BGH in zivilrechtlichen Revisionsverfahren weiterhin zeitgemäß ist. Die Kommission umfasste die damaligen Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer und der Rechtsanwaltskammer beim BGH, einen damaligen Vorsitzenden Richter beim BGH und den damaligen Leiter der Abteilung Rechtspflege des Bundesjustizministeriums. Die Kommission befragte u.a. Vertreter aus den Präsidien der übrigen obersten Gerichtshöfe des Bundes (Bundesfinanzhof, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht und Bundesverwaltungsgericht) zu ihren Erfahrungen mit der Tätigkeit von Rechtsanwälten in Revisionsverfahren. Dabei ergab sich, dass auch bei jenen Gerichten eine eigene Anwaltschaft im Interesse der Rechtspflege, insbesondere der Prozessbeteiligten, für wünschenswert gehalten wurde. Dies insbesondere angesichts der hohen Zahl von Rechtsmitteln, die dort von vornherein als unzulässig verworfen werden. Die Einrichtung einer eigenen Anwaltschaft bei den anderen obersten Gerichtshöfen des Bundes scheiterte bislang an der vergleichsweise geringen Zahl der dort eingehenden Rechtsmittel, die keine wirtschaftlich tragfähige Grundlage für eine auf diese Gerichtshöfe beschränkte Anwaltstätigkeit bietet. Die Kommission hat sich einstimmig für die Beibehaltung der BGH-Anwaltschaft ausgesprochen.
Beschluss des Deutschen Bundestags vom 21.03.2013
Der Deutsche Bundestag hat es mit Beschluss vom 21.03.2013 abgelehnt, einer Petition (Pet 4-17-07-3031-031114) zu entsprechen, in der die Streichung der Beschränkungen für die Zulassung von BGH-Anwälten gefordert worden war. Der Bundestagsbeschluss führt dazu aus: Die BGH-Anwälte trügen mit ihrer besonderen Qualifikation dazu bei, dass die maßgeblichen Rechtsfragen in Rechtsmittelverfahren vor dem BGH umfassend erörtert würden und auf diese Weise die Qualität der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Zivilsachen gesichert werde. Die BGH-Anwälte seien aufgrund ihrer revisionsrechtlichen Spezialkenntnisse besonders gut in der Lage, ihre Mandanten kompetent zu beraten und ihnen dabei auch die Risiken der beabsichtigten Rechtsverfolgung aufzuzeigen. Der Bundestagsbeschluss vermerkt, dass eine besondere Anwaltschaft bei anderen obersten Gerichtshöfen des Bundes ebenfalls wünschenswert wäre, sich aber dort wegen geringerer Verfahrenszahlen wirtschaftlich nicht tragen könnte.
Beschluss des Deutschen Bundestags vom 27.11.2019
Mit Beschluss vom 27.11.2019 hat der Deutsche Bundestag einen Antrag (BT-Drucks. 19/1402 S. 8 f.) abgelehnt, die BGH-Anwaltschaft durch ein Fachanwaltsmodell zu ersetzen. Vorausgegangen war eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz mit verschiedenen Sachverständigen, auf deren Grundlage der Ausschuss die Ablehnung eines Fachanwaltsmodells empfohlen hatte (BT-Drucks. 19/15167 S. 28). Die Präsidentin des BGH hat in jener Anhörung ausgeführt: Die BGH-Senate könnten die Masse der Nichtzulassungsbeschwerden nur deshalb noch sachgerecht bewältigen, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die BGH-Anwaltschaft regelmäßig so präzise und treffend herausgestellt würden, dass der Senat unmittelbar in die Prüfung der Zulassungsgründe eintreten könne. Die dafür nötige Spezialisierung werde zwar auch von den Vertretern eines Fachanwaltsmodells letztlich nicht geleugnet, aber unterschätzt: Der für die Arbeit des BGH unabdingbare Grad an Spezialisierung lasse sich nicht durch einen Lehrgang allein vermitteln, sondern erfordere ein ausschließlich dem Revisions- und Rechtsbeschwerderecht entspringendes Fallaufkommen.
Aus dem Tätigkeitsbericht des BGH für das Jahr 2019
Die Präsidentin des BGH, Bettina Limperg, schreibt im Vorwort zum Tätigkeitsbericht des BGH für das Jahr 2019:
„Die besondere Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof und die Singularzulassung sind für die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichtshofs unabdingbar. Ohne sie könnten die Zivilsenate die Masse der Verfahren nicht wie bislang in angemessener Zeit sachgerecht bewältigen. Hinzu kommt: Dank der hohen Qualifikation der Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof stehen sich zudem in dritter Instanz Verbraucher- und Unternehmensseite (nicht selten: erstmals) ebenbürtig gegenüber. Die Beibehaltung einer spezialisierten, zulassungsbegrenzten Anwaltschaft ist damit auch praktizierter Verbraucherschutz.“
Verwerfungsquote bei Nichtzulassungsbeschwerden
In Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) besteht die – nicht anspruchslose – Anwaltsaufgabe im Herausarbeiten eines Revisionszulassungsgrunds. Ist kein solcher Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargelegt, wird die Beschwerde schon als unzulässig verworfen. Bei obersten Bundesgerichten ohne eigene Anwaltschaft erweist sich regelmäßig eine Vielzahl der Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig: im Jahr 2023 etwa von den eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden beim Bundesverwaltungsgericht 42,32 %, beim Bundesfinanzhof 43,34 %, beim Bundesarbeitsgericht 84,43 % und beim Bundessozialgericht 80,0 %.
Beim BGH erweisen sich demgegenüber nur 4,33 % (Stand: 2023) aller Nichtzulassungsbeschwerden als unzulässig. Selbst diese wenigen Fälle beruhen nicht auf revisionsrechtlichen Unzulänglichkeiten der Beschwerdebegründung. Sie resultieren vielmehr im Wesentlichen daraus, dass bisweilen die für zivilrechtliche Nichtzulassungsbeschwerden geltende Wertgrenze von EUR 20.000 (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), die Zweifelsfragen aufwerfen kann, nicht überschritten ist, der Mandant nach fristwahrender Beschwerdeeinlegung die Anwaltsrechnung nicht begleicht oder der Mandant die zunächst fristwahrend eingelegte, indes nach Prüfung für aussichtslos befundene Beschwerde nach Mandatsniederlegung des BGH-Anwalts nicht zurücknimmt. Davon bereinigt tendiert die Zahl unzulässiger Nichtzulassungsbeschwerden beim BGH gegen Null.
Erfolgsquote bei Revisionen
Damit korrespondiert, dass die Erfolgsquote der beim BGH zugelassenen zivilrechtlichen Revisionen im Langzeitvergleich deutlich über derjenigen liegt, die andere oberste Bundesgerichten für die bei ihnen zugelassenen Revisionen verzeichnen. In den letzten fünf Jahren (2019 – 2023) hat diese Erfolgsquote beim BGH durchschnittlich mehr als 63 % (2023: 70,61 %) betragen, während bei anderen obersten Bundesgerichten durchschnittlich weniger als die Hälfte der dort zugelassenen Revisionen (43,0 % beim Bundesarbeitsgericht, 46,55 % beim Bundesverwaltungsgericht und 47,135 % beim Bundesfinanzhof) erfolgreich war. Das erklärt sich vor allem daraus, dass beim BGH wesentlich häufiger Verfahrensrügen Erfolg haben. Deren Herausarbeitung und fristgerechte Anbringung gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines Revisionsanwalts.
Rücknahmequoten bei Nichtzulassungsbeschwerden und Revisionen
Lässt sich eindeutig absehen, dass ein Rechtsmittel zum BGH keine Erfolgsaussicht hat, sind die BGH-Anwälte gehalten, von der Durchführung des Verfahrens abzuraten und ggf. das Mandat niederzulegen. Im Jahr 2023 haben BGH-Anwälte 906 Nichtzulassungsbeschwerden (Quote: 35,23 %) und 171 zugelassene Revisionen (Quote: 28,03 %) zurückgenommen; auch diese Rücknahmequote liegt regelmäßig weit über derjenigen, die andere oberste Bundesgerichte verzeichnen. Damit ist im Jahr 2023 in mehr als 1.000 Fällen der BGH von aussichtslosen Rechtsmitteln entlastet und der Mandant vor unnötigen (erheblichen) Prozesskosten bewahrt worden.